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02.05.2020 Tagesimpuls

Ich will ans Meer

Sonnenuntergang am Meer

Ich will ans Meer,

alle Sorgen für einen Moment vergessen,

 mich einfach in den Sand setzen,

die Augen schließen und

den Wellen zu hören

(A. Lüßel)

 

 

Liebe Mitchristen,

Angefangen hat es eher zufällig, als ein kurzer Spruch seinen Weg zu mir gefunden und etwas zum Klingen gebracht hat: „Ich will ans Meer, alle Sorgen für einen Moment vergessen, mich einfach in den Sand setzen, die Augen schließen und den Wellen zu hören.
“Das bin ich“, dachte ich sofort. Ich schreibe ganz bewusst, diese Worte haben ihren Weg zu mir gefunden.
Denn hätte ich sie nicht gelesen, hätte es nicht das in Gang gebracht, von dem ich Ihnen heute Morgen erzählen möchte. Ja, dachte ich, das Meer mein Sehnsuchtsort. Da möchte ich sein. Ist es ein Wehmuts - oder ein Sehnsuchtsort? Ich denke, es ist Beides, einmal die Erinnerung an das Schöne, meine Erlebnisse und Erfahrungen, die ich damit verbinde, stundenlang am Meer laufen, den warmen Sand unter meinen Füßen spüren , der Wind, der mir im wahrsten Sinne des Wortes, den Kopf frei pustet, der salzige Geschmack auf den Lippen und vor allem den Wellen zuhören, etwas, dass ich stundenlang tun kann. Der vertraute, immer wiederkehrende Rhythmus der auslaufenden und sich zurückziehenden Wellen. Es hat gleichermaßen etwas archaisch und zutiefst Beruhigendes. Sehnsuchtsort deshalb, weil ich das Erlebte in der wehmütigen aber auch dankbaren Rückschau, wieder mit in die Zukunft nehmen darf, auf etwas, das kommt. Die Welle als Metapher des Wechselspiels zwischen Wehmut und Sehnsucht, wenn aus etwas Vergangenem etwas zu Erwartendes, Hoffendes entstehen darf. Den Spruch noch in Gedanken, gehe ich durch das Haus und meine Augen fallen auf ein kleines rotes Herz, dass mir mein Sohn vor vielen Jahren zu Muttertag geschenkt hat. Es liegt da und schaut mich an, ein Andenken an ihn, den ich seit drei Monaten nicht mehr gesehen habe und mir wird warm ums Herz. Ich gehe weiter, Muscheln im Bad aus verschiedenen Nordseeurlauben, versteinerte Haifischzähne, die wir am Strand Cadzand in den Niederlanden mit viel Spaß und Ausdauer gesucht haben. Ich kann es fast sehen - ein Andenken. Jetzt werde ich neugierig, ich gehe weiter, wie magisch ziehen mich verschiedene Gegenstände an, ein gemaltes Kinderbild, ein Foto unserer Tochter und meines Patenkindes, die kleine hölzerne Spardose meiner Großmutter in meinem Arbeitszimmer, auf die ihr Vater mit Bleistift fest aufdrückend folgende Worte geschrieben hat: „Zur Erinnerung, für mein Jettchen, Wilna 1914.“ Es ist wie ein verzauberter Gang, nicht nur durch ein Haus, sondern viel eher durch ein Schatzhaus und ich sammle Schätze, die ich eigentlich jeden Tag vor Augen habe. Ich bin sicher, Sie kennen alle, diese kleinen Schatzkisten der Erinnerung, brüchige gewordene, aber selbstgebastelte Sterne aus der Kindheit, mitgebrachte Steine aus dem Urlaub, die nun im Garten zu finden sind, Gutscheine der Kinder fürs Zimmer aufräumen, der verblassende Brief einer Freundin aus der DDR, geschrieben am Morgen des 9.Novembers 1989, zu Ende geschrieben am 10.11.1989 mit den Worten: „Heute ist alles anders“, ein Andenken. Ich bin wie in Trance und beginne nun auch mit allen Sinnen (an) zu denken. Als ich das letzte Mal bei meinen Eltern war, sind mir vier kleine selbstgebastelte Schmuckkästchen aufgefallen, die Muscheln längst an einigen Stellen gebrochen. Sie wurden von meinen drei Schwestern und mir vor über 40 Jahren gebastelt. Sachte fuhr ich über die Kanten und Rillen und die kleinen angeklebten Bernsteinchen, die wir jeden Tag gesucht haben. Sie erinnern mich an unendlich schöne Sommerferien an der Nordsee. Oder der Veilchenduft führt mich zurück in das Jahr 1981, nach Winchester, als meine Freundin Miriam und ich dort unser erstes Parfum erstanden. Dieser Duft verband uns noch Jahre später mit diesen besonderen Wochen - ein Andenken. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir bewusst, dass das ganze Leben voller Andenken ist, die ich mal mehr oder weniger im Blick habe, aber auch wieder in Erscheinung treten können, wenn ich ein alten Freund aus Schultagen, der heute als evangelischer Pastor in Nordfriesland tätig ist, wiedertreffe und wir uns über das An(ge)denken austauschen, das uns verbindet und daraus auch viel Neues, Vertrautes entstehen kann. Wir müssen unsere Andenken nur wiederentdecken, denn unser Leben besteht aus diesen lebendigen Zeichen. Auch wir sind Andenken, dessen, der zu uns sagt: „Du bist mein geliebtes Kind“ und ich stelle mir vor, wie er uns liebevoll anschaut und sich unserer erwärmt und an uns denkt durch die Zeichen, die er uns schenkt. Ich möchte am liebsten losspringen und Zeichen sammeln, aber das muss ich gar nicht, ich weiß es schon, es ist der Wind, der mir den Kopf durchpustet, der warme Sand unter meinen Füßen, der Gesang der Wellen, es ist die Liebe die mir begegnet, das Vertrauen, u.v.m mehr. Diese gesammelten Andenken Gottes mit den Sakramenten der Gemeinschaft der Kirche sind echte Begegnungsorte mit Gott. Machen wir uns doch auf den Weg, nach Gottes Zeichen Ausschau zu halten. Die Sechtemer Kommunionkinder haben es uns schon vorgemacht, wenn sie ihre bemalten Hoffnungssteine, gleichsam angeschmiegt, vor die Kirche legen, an dem Tag, an dem ihre Erste Heilige Kommunion hätte stattfinden sollen. Das berührt mich, angeschmiegt am Herrn, ihm, ihr Andenken zu schenken, ihm, der darauf schaut und sagt: „Ihr seid meine geliebten Kinder“, im Vertrauen darauf, dass uns Gott, Vater, Sohn im Geist umgibt, wo immer wir auch sind.

Ja, ich will immer noch ans Meer-aber me(h)r ist auch hier!

 

 

 bemalte Steine

 

 

 

 

 

 

Seien Sie behütet, in allem, was ist.

Herzlichst Ute Trimpert, Gemeindereferentin