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Wochenimpuls vom 09.12.2020

Wochenimpuls vom 09.12.2020

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Ave Maria

Liebe Maria,

ich habe noch nie einen Brief an Dich geschrieben, doch heute ist es mir ein Bedürfnis. Du kennst mich, haben wir doch schon so oft miteinander gesprochen. Ich stelle mir vor, wie Du meinen Brief über Zeit und Raum hinweg erhältst, ihn öffnest und liest. Was denkst Du darüber? Mir eigen ist, dass ich niemals aufhöre Fragen zu stellen. Sie gehören zu meinem Leben dazu. Sie haben mich zu dem gemacht, was ich bin. Dein Sohn Jesus ist mir dabei ein großes Vorbild. Er hat so oft in Fragen gesprochen. Wenn fragende Worte auf mich treffen, komponieren sie einen ganz eigenen und dynamischen Tanz, eine Antwortmelodie. Frage und Antwort – Dialog - ein Beziehungsspiel, das ich sehr zu schätzen weiß. Heute möchte ich Dich etwas fragen und gleichzeitig ahne ich, dass Du mir die Antwort bereits gegeben hast.

Es ist Advent, heute ist der 8. Dezember 2020. Ich möchte Dir von einem Moment erzählen, der ganz unverhofft und eher zufällig auf mich getroffen ist. Am Nachmittag   war ich zunächst mit dem Auto in Richtung Bornheim unterwegs, um dann später am Abend, die von mir und der katholischen Frauengemeinschaft (kfd) Widdig gestaltete Messe, anlässlich Deines Hochfestes, zu feiern.   In Dersdorf fiel mein Blick auf einen jungen Mann, der gerade, wie in einem schönen Weihnachtsfilm, einen Tannenbaum ausgesucht hatte und dabei war, diesen auf seine Schultern zu heben. Es gelang ihm auf Anhieb mit Bravour. Und dann ging er ganz beschwingt los. Das Bild ließ in mir eine intensive Vorfreude auf Weihnachten aufkommen. Es fehlte eigentlich nur noch der Schnee. Und ich fragte mich, welchen Platz wird der Baum wohl erhalten? Ich stellte mir vor, wie er liebevoll geschmückt würde, vielleicht mit altem Christbaumschmuck und roten Wachskerzen und einer Weihnachtskrippe unter dem Baum. Da kamen so viel eigene Erinnerungen hoch, die ich mit Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest verbinde. Die leuchtenden Augen meiner Kinder beim Glanz der Weihnachtskugeln im Kerzenschein, das Backen bunter Phantasieplätzchen nach Omas Rezept, der selbstgemachte Weihnachtsschmuck aus Kindergartenzeiten, das auswendig Singen der Weihnachtsbäckerei des Liedermachers Rolf Zuchowski - bis heute!!!!  Liebe Maria, das sind Augenblicke, die man nicht vergisst und die es einem ganz warm ums Herz werden lassen.  Aber, noch während ich darüber nachdenke, wird mir bewusst, dass es diese unsere Weihnachtsfreude nicht gäbe, wenn Du der Anrede des Engels Gabriel nicht geglaubt hättest: „Ave-Maria, sei gegrüßt Du Begnadete“. Ich stelle mir vor, wie Du vielleicht, am Webstuhl gearbeitet hast, als der Engel Gabriel erschien und frage mich dann, wie wäre das bei mir? Würde ich ihm zuhören, seiner Anrede glauben, mich berühren lassen? Würde ich nur ansatzweise verstehen, was er mit dem Begriff „Begnadete“ meinte? Hätte ich mich nicht vielleicht auch gefürchtet in dieser so ungewöhnlichen Situation?  Habe ich bisher je darüber nachgedacht? Dass der Engel zu Dir kam, kann ich im Lukasevangelium lesen. Die Erzählung ist mir vertraut. Was mich aber nicht loslässt, ist die an mir nagende Frage, hat sie mich auch berührt? Ist deine Begegnung mit dem Engel Gabriel mir nicht allzu selbstverständlich geworden? Die Frage erschreckt mich. Sie ist der Grund, warum ich Dir schreibe. Es hilft mir. Advent, so habe ich es doch als Kind immer gerne für mich übersetzt, ist das Warten auf das Christkind. Ich erzähle den Menschen von dem Warten auf die heilende Hoffnung, wenn Gott sich an Weihnachten klein macht, wie ein Kind. Unser Weg ist darauf ausgerichtet. Aber, spielst Du auf diesem Weg, liebe Maria, eine Rolle für mich? Bist Du meine Wegbegleiterin oder treffe ich erst an der Krippe auf Dich? Im Advent begegne ich der Heiligen Barbara und dem Kirschblütenzweig als Zeichen für den an Weihnachten aufblühenden Neuanfang, der heiligen Lucia und ihrem Licht, dem Hl. Nikolaus am Nikolausabend verbunden mit all den geheimnisvollen Legenden und Traditionen, mit denen ich aufgewachsen bin. Und heute, an deinem Hochfest frage ich mich, wie ist das mit Dir? Wie kann mich Dein Weg, Deine Anrede des Engels gut auf Weihnachten vorbereiten? Es ist ein Brief der Fragen und doch, so glaube ich, stehe ich nicht allein mit meinen Fragezeichen. Generationen derer, die vorgefahren sind, haben sich damit auseinandergesetzt. Liebe Maria, meine Gedanken hier aufzuschreiben, hat etwas Reinigendes. Ich suche so sehr nach einer Antwort und möchte daher versuchen auf ein für mich wunderschönes altes und einfaches Bild zurückgreifen, was gleichermaßen fantasievoll, wie kreativ, sehr alt und doch hochaktuell zu sein scheint und in sich trägt, was uns Menschen seit fast 2000 Jahren immer wieder herausfordert. Meinst du nicht auch, dass es gerade die einfachen Bilder sind, die uns helfen zu verstehen? Eines der schönsten Adventslieder, das Dir gewidmet wurde, ist das Lied „Maria durch einen Dornwald ging“. In thüringischen Eichsfeld, wohl bereits im 16. Jh. entstanden. Zugegeben, als Kind habe ich den Text nie ganz verstanden, wenn es um einen Dornwald ging, der sieben Jahre kein Laub getragen hat und doch sind es heute gerade diese Zeilen, die mich innehalten lassen. Ihre Aktualität, ihre bildhafte Sprache lassen mich fast sprachlos werden. Da heißt es zunächst:

Maria durch einen Dornwald ging, kyrie eleison, der hat in sieben Jahr kein Laub getragen, Jesus und Maria

Ein Dornwald-unangenehm, man kann ihm nicht ausweichen. Da sind, ohne Machete, vorgefertigte Wege selten, der Umweg vorprogrammiert. Maria, ich glaube zu erkennen, dass ich ihn suchen muss, den Weg durch meinen persönlichen Dornwald. Dornwald - benennt das nicht die schwierigen dunklen Situationen meines Lebens, die mich verletzen, die Schmerzen und Narben hinterlassen? Du Maria, bist selbst durch den Dornwald hindurchgegangen. Ich glaube, Disteln und Dornen haben heute viele Namen: Einsamkeit Trennung, Tränen der Trauer und Hoffnungslosigkeit, Corona, Heimweh, Streit, Missgunst etc.  Und dann kann ich ganz schnell steckenbleiben, in meinem Dornwald.  Aber, ich bin nicht allein unterwegs. Du gehst mit, teilst meinen Schmerz im dornigen Gestrüpp meines Lebens

Was trug Maria unter ihrem Herzen? Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen

Meine Gedanken purzeln jetzt. Weihnachten heißt doch dann, dass mitten im Dornengeflecht meines Alltags, ein Stück Himmel auf der Erde landet, der Himmel die Erde berührt. Liebe Maria, habe ich dann richtig verstanden, dass, wenn Gott die Liebe ist und sie Mensch wird, es Menschen braucht, wie Dich, die dieses Stück Himmel bewahren, die den Himmel in ihren Herzen tragen? Und bist du es dann nicht Du, die die Botschaft der geheimnisvoll und zärtlichen Liebe des Himmels fest verwoben in Deinem Herzen in den Dornwald des Lebens hineinträgst? Den Himmel im Herzen tragen, wie schön ist das denn`?

Da haben die Dornen Rosen getragen, als das Kindlein durch den Wald getragen.

Ich kann von Dir so viel lernen, Ich glaube zu verstehen, dass, wenn wir wie Du ein   Stück Himmel in uns tragen, d.h. Jesus in unser Leben lassen und zu den Menschen bringen, aus Dornen Rosen erblühen werden. Aber- das nimmt die Dornen keinesfalls weg – sie sind es doch, die die Rosen tragen. Es ist in der Tat mein Brief der Fragen. Und sie hören nicht auf.  Wie kann ich ein Stück Himmel zu den Menschen tragen? Ist diese Frage nicht schon viel zu kompliziert gestellt. Ist es nicht eigentlich viel einfacher?

Liebe Maria, ich ahne, dass der Engel auch zu mir spricht und genau dies das alles Entscheidende ist, der Anrede des Engels zu glauben: „Sei gegrüßt, Du Begnadete, Du Beschenkte! Der Herr ist mit Dir!“ Nicht mehr und nicht weniger. Den Engel hören, mich vom Himmel berühren und es geschehen lassen. Liebe Maria, ich möchte von Dir so gerne die Antwort meines Lebens lernen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie Du gesagt hast. „Wenn ich den Himmel zu den Menschen bringe, dann, so bin ich überzeugt, kann etwas wirken und bewirkt werden und leuchtet dann im Herzen meines Nächsten nicht ein Stück Himmel auf?

Ich danke Dir sehr, dass Du mir zugehört hast. Ich könnte jetzt sagen, ich freue mich auf Deine Antwort, aber ich spüre, dass Du sie mir schon gegeben hast, indem Du ein Stück Himmel zu mir getragen hast. Sonst hätte ich den Brief nicht schreiben können.

Für immer-Deine Ute

Brot in einem Korb

Seien Sie behütet in allem, was ist.

Ihre und Eure Ute Trimpert, Gemeindereferentin

Für das Pastoral-und Seelsorgeteam Alfter Bornheim

Fotos Ute Trimpert (privat)