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13.01.2021 Wochenimpuls

Tea Time mit Gott

Tea Time mit Gott

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Teekessel auf Feuer am Flussufer

Kann es für mich etwas Schöneres geben, als sich an einem trüben Wintertag mit einer guten Tasse Tee zu wappnen und sich in einen von mir tausendfach gelesenen Kriminalroman der großen Agatha Christie hinein zu versenken, in die Welt des skurrilen, weltbesten, belgischen Detektives Hercule Poirot, der bezaubernden schrulligen und scharfsinnigen Miss Jane Marple oder dem charmanten Agentenpaar Tuppence und Tommy, um  ihnen dann zu erliegen? Eintauchen in den „english way of life“, in eine Welt, in der Telefongespräche noch per Hand vermittelt wurden, der „early morning“ oder „afternoon tea“ an der Tagesordnung war und Miss Marple mehrfach in der Woche ihre Damen zum Teekränzchen einlud. Vom „best Indian, Ceylon, Darjeeling oder Lapsangtee“ lese ich in Christies großartigem Roman „Bertrams Hotel“. Keine englische Tea time ohne die duftenden englischen Scones oder den berühmten englischen Sandwiches mit Kresse und Ei, durchaus auch mal Sardinen oder Marmite, einem für Nichtbriten nicht wirklich definierbarer Würzaufstrich. Und so muss ich schmunzeln wenn in „Ein Mord wird angekündigt“ in der Küche von Little Paddocks, Miss Blacklock Mitzi die Anweisung gibt Sardinen- und Tomatensandwiches zuzubereiten „and some of those little scones you make so nicely“.

Scones werden im Deutschen mit „Teebrötchen“ übersetzt – keine wirklich gute Übersetzung. Man braucht es auch nicht zu übersetzen, kann man doch hören, was es ist: ein auf der Zunge zerschmelzendes Gebäck, das Herzstück eines sogenannten englischen „cream teas“ kombiniert mit sogenannter „clotted cream“ sowie vorzugsweise Himbeer- oder Erdbeermarmelade. Dazu ein guter kräftiger Ceylon Tee oder Darjeeling. Etwas länger gezogen wirkt er durchaus beruhigend. Englische Tea time und mein Herz schlägt schneller. In Großbritannien gibt es nichts, was nicht mit einer guten Tasse Tee gelöst werden könnte. So wundert es mich nicht, als mich aus Schottland ein Foto mit einem wunderbar zerbeulten, gefühlt 100 Jahre alten Vintageteekessel erreicht, das Teewasser auf einem Holzfeuerchen kochend an einem einsamen Ort irgendwo in den Bergen Schottlands zeigt, mit Martins Kommentar: „Sometimes it feels like all this hike and outdoor business is all about brewing a decent cup of coffee or tea“ (Manchmal fühlt es sich an, als gehe es bei all den Wander- und Outdooraktivitäten genau darum, eine anständige Tasse Kaffee oder auch Tee zu kochen.“). Auch, wenn die Briten sehr gerne Kaffee trinken, geht nach wie vor nichts über eine gute und wärmende Tasse Tee. Ich erinnere mich gut an meine zweite Mum Sally, wenn sie mich fragte: „Ute, do you want a good cup of tea?“ Und dann saßen wir beiden zusammen, tranken unseren Tee und dazu gab es den obligatorischen Keks, den sog. „biscuit“ dazu, mit gesalzener Butter gebacken, in allen Geschmacksvariationen, vorzugsweise Ingwer- oder Haferkekse, die natürlich in einer besonderen Biscuitdose aufbewahrt wurden. Und ich habe es beibehalten. Während meiner Zeit in  England habe ich die Vielfalt des Tees für mich entdeckt, jenseits von Kamillen- und Kräutertee und einfach nur Schwarztee.

Man kann ihn immer trinken, das habe ich in England gelernt, egal in welcher Verfassung man ist. Gibt es neue Nachrichten, dann lass uns dies bei einer schönen Tasse Tee bereden, kommt spontaner Besuch, der Tee ist nicht weit, hat man Liebeskummer oder Heimweh oder ist man traurig, Tee ist immer die richtige Wahl. Und auch jetzt habe ich mir erst einmal einen Earl Grey zubereitet, wenn ich schon über Tea time etwas schreibe. Und wenn mich dann meine Leidenschaft für Agatha Christie überfällt, teile ich zusammen mit „lauter reizenden alten Damen“ die Passion der Protagonisten für „Tee and Scones“. Wenn man bei mir in meiner englisch angehauchten Küche steht, ist der Wasserkocher – wie in England fast immer – natürlich in Teekesselform. Meiner Tochter habe ich schon als Baby „I am a little teapot“ vorgesungen – ein altes englisches Kinderlied und wer einen Blick in meinen Küchenschrank wagt, fände große und kleine Tassen mit Lady Diana, Peter Rabbit (Peter Hase), dem Union Jack und viele andere Erinnerungstassen. Vor mir steht gerade eine Tasse, die ich wie ein Schatz hüte, darauf eine Zeichnung der alten Mühle in Langstone an der Südküste Englands, ein Sehnsuchtsort. Nicht weit entfernt stehen meine Teedosen, z. T. viele Jahre alt und mit vergilbten Aufschriften. Zu jeder habe ich eine besondere Beziehung. Die eine ist aus Winchester, die andere aus London oder Schottland – ein Sammelsurium, aber mit Bedeutung. Tee trinken verbinde ich mit Zeit nehmen, zur Ruhe kommen, mit inne halten, mit Meditation. Allein die Zubereitung kann meditativ sein. Bevorzuge ich losen Tee oder Teebeutel, verwende ich das klassische Teeei oder das Teesieb, was ist die optimale Wassertemperatur, welcher Philosophie vertraue ich bei der Dauer des Ziehens und der Anzahl des Aufgusses, mag ich lieber schwarzen oder grünen Tee, sanft oder eher kräftig, mit Milch oder Sahnewölkchen, aromatisiert oder nicht? Jeder hat sein eigenes Ritual, vielleicht immer ein klein wenig anders, aber das macht es doch so persönlich. Aber Tea time, das ist gleichermaßen auf den britischen Inseln wie in Japan und China eine Zeremonie. Es ist nicht nur einfach das Trinken, sondern der Genuss und die Wirkung des Tees soll in das Alltagsleben des Menschen ausstrahlen. Eine Teezeremonie hat etwas Heiliges, wird z. B. in Japan auch als ein Weg in Harmonie, Respekt, Reinheit und Stille als Voraussetzung für das Miteinander der Menschen mit der sie umgebenden Natur verstanden mit dem Ziel, den Geist von allem, was ihn beschwert, freizumachen. Ein wenig salopp gesagt, könnte man sagen: „Warte ab, trinke Tee, versuche dein inneres Gleichgewicht wieder zu finden“ oder schlicht und einfach: „a good cup of tea always helps.“ Stille heißt hier innere Ruhe, sich vom Stress des Alltags zu befreien, dem Anderen mit Respekt und Achtsamkeit zu begegnen. Beim Tee trinken, kann ich die Kraft des Augenblicks spüren, mich selbst finden, zur Ruhe kommen, mein Herz hören – beten. Gebet ist mit Gott in Beziehung treten, nicht mehr und nicht weniger. Beten mit allen Sinnen, im Gespräch, im Zuhören, im Hören meiner Seelenmusik dem Jazz, Fado oder Blues, in Bewegung, z. B. beim Tanzen, Wandern oder Rad fahren, im Beobachten des Schmetterlings oder Spüren des erfrischenden Wassers einer sprudelnden Quelle, in der Begegnung eines mich berührenden Menschen – Augenblicke der Gottesbegegnung. Wenn ich Gebetsstille suche, nehme ich mir eine Auszeit für mein „Kaffee trinken mit Gott, Tee zu trinken mit Gott“ – Zeit zu verbringen mit Gott – nur er und ich. Und dann kommt es gar nicht darauf an, dass man angestrengt überlegen muss, was man ihm sagen könnte. Es genügt, einfach da zu sein, zusammen zu sein – ein zutiefst spiritueller Moment. Aus dem Lukasevangelium kennen wir die Erzählung über den Zöllners Zachäus (Lk 19, 1-6), der auf den Baum geklettert ist, um Jesus besser sehen zu können. Jesus sagt zu ihm: „Zachäus, komm schnell herunter. Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein. Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf.“ Jesus möchte auch bei mir zu Gast sein. Ich lasse ihn ein, mache Pause, klettere von „meinem Baum“ und darf Tee trinken mit ihm, meinem Gott. Ich wünsche Ihnen eine solche kleine persönliche Auszeit mit Gott, ob mit Tee, Kaffee, Kakao, Milch, Musik, Tanz oder Gartenarbeit. Sie tut gut, sie lehrt zu hören, achtsam zu werden auf die vielen geschenkten Hoffnungsfunken, Momente der Nähe Gottes – auch in unserem so geplagten Corona Alltag dieser Tage und Monate. Agatha Christie liebte die berühmten Devonshire Scones. Das Rezept teile ich gerne mit Ihnen. Sie werden sie lieben. Augen zu, genießen und dazu eine gute Tasse Tee. Wohl bekomm`s.

Seien Sie behütet in allem, was ist. 

Ihre und Eure Ute Trimpert, Gemeindereferentin

Für das Pastoral- und Seelsorgeteam Alfter-Bornheim.

 

Tea time

Gedeckter Tisch mit Kanne und Scones

Devonshire  Scones

Zutaten

230g Mehl

1 Prise Salz

25g Zucker

1 Pk. Backpulver

60g Butter

150ml Milch

1 Ei

Den Ofen auf 180 Grad vorheizen. Ein Backblech fetten oder mit Backpapier auslegen. Mehl, Backpulver, Zucker und Salz in einer Schüssel vermischen, eine Mulde hineindrücken und dort die Milch hineingießen. Die kalte Butter in Flocken darüber streuen. Zu einem glatten Teig verkneten und etwa 2 cm dick auf einer bemehlten Fläche ausrollen. Scones mit einem Glas oder einer großen, runden Plätzchenform ausstechen. Das Ei mit etwas Milch verquirlen und die Scones damit bestreichen. Auf der mittleren Schiene des Ofens backen, bis die Scones aufgegangen und goldbraun sind (ca. 15 bis 20 Minuten). Wichtig ist, den Teig nicht zu lange zu kneten und kalte Butter zu verwenden. Traditionell genießt man Scones mit Butter oder Erdbeermarmelade und reicht dazu Clotted Cream.

PS: Bei Clotted Cream handelt es sich um einen dicken Rahm (Zwischenstufe zwischen Sahne und Butter), der klassischerweise aus roher Kuhmilch hergestellt wird und wie Butter auf die Scones gestrichen wird. Geschmacklich bewegt sich die Clotted Cream irgendwo zwischen Butter, Frischkäse und Crème fraîche. Original clotted cream ist bei uns nur im English shop in Bonn oder Köln oder im British shop in Meckenheim erhältlich.